Das perfekte Leben – mein Gespräch mit einem Obdachlosen

Andere so: Perfekte Beziehung, Perfekter Job, Perfekte Wohnung 

Ich so: 3 verschiedene Soßen auf dem T-shirt, leeres Konto und chronische Verwirrtheit.

Menschen die so oder so ähnlich denken, lassen sich vermutlich zu sehr von selektiver Wahrnehmung lenken. Wer sich ein neues Auto kaufen möchte und sich über eine bestimmte Marke informiert, sieht plötzlich nur noch Autos dieser einen Marke. Wer überlegt, sich die Haare blau zu färben wird auf einmal überproportional viele Leute mit blauen Haaren sehen. Laufen tatsächlich zur Zeit so viele Leute mit blauen Haaren herum, oder blendet man einfach alle anderen Haarfarben aus? Das sind nur Beispiele, aber emotional funktioniert es genau so. Frauen mit ausgeprägtem Kinderwunsch sehen an jeder Ecke Mütter und glückliche Familien. Blenden nahezu alle Anderen aus. Menschen, die sich mit besonderen Zahlenfolgen beschäftigen, entdecken auch mehr Zahlenfolgen, als es andere Menschen tun (KfZ-Kennzeichen, Uhrzeiten wie 11:11, ö.ä). Nur weil jemand zeitweise alles als blöd empfindet, heißt es nicht, dass tatsächlich die ganze Welt um ihn herum blöd ist.

Selektive Wahrnehmung kann man trainieren. Den Blick in eine bestimmte Richtung zu lenken kann sich auf so manchen positiv auswirken. Ob man das jedoch braucht, oder ob man auch auch weiß mit negativen Ereignissen umzugehen, muss natürlich jeder für sich selbst heraus finden.

Mir ist jedoch vor ein paar Tagen bewusst geworden, wie unterschiedlich unsere Sichten auf die Welt tatsächlich sind. Nicht, dass ich das vorher nicht gewusst hätte… aber mal mit jemandem gesprochen zu haben, der die Welt wirklich von einer ganz anderen Perspektive sieht, hat dem Ganzen noch ein wenig Tiefe verliehen. Wem ist es noch nicht passiert – auf der Straße von einem Obdachlosen angesprochen zu werden, nach Geld gefragt zu werden. Man sieht das vermeintliche Elend über all. Mit Hund, mit Krücke oder mit Hut als „Spardose“.  Ganz ehrlich: zuvor habe ich ihnen noch nie groß Aufmerksamkeit geschenkt.

Er saß im warmen Eingangsbereich der Sparkasse und hat mir die Tür aufgemacht, nett gegrüßt. Zu erst dachte ich, er sei ein Mitarbeiter der Sparkasse, aber nach kurzer Beurteilung von Erscheinungsbild und Geruch war klar: Der sitzt hier weil er sonst kein Dach über dem Kopf hat. Er hat mich nicht nach Geld gefragt, aber die Mütze, die mit wenigen Centstücken gefüllt war, hat für sich gesprochen. Ich habe in etwa so etwas gesagt wie: „Geld hab ich nicht, aber ich war gerade Brötchen kaufen und wenn du magst, kannste eins haben“. Über das trockene Brötchen hat er sich gefreut, aber noch mehr darüber, dass ich mich neben ihn gesetzt habe und ebenfalls anfing zu essen. Ich saß dort am Ende über eine Stunde. Noch nie hat sich jemand so gefreut, dass ich ihm zugehört habe. Meine Frage: „Warum sitzt du hier?“ schien ihn erstmal etwas überrascht zu haben, aber er hatte keine Scheu mir von seinen Schicksalsschlägen zu erzählen. In seinen Augen haben alle Menschen, die wie ich durch diese Tür zur Sparkasse laufen ein perfektes Leben. Denn wer zur Sparkasse geht, hat ein Konto. Im besten Fall mit Geld drauf, durch arbeiten verdient. Wer arbeitet kann sich essen kaufen, saubere und frische Klamotten tragen. So sieht dieser Mann die Leute um ihn herum. Sie führen alle ein perfektes Leben. Und wie sehen die Leute ihn? Wahrscheinlich denken die wenigsten, dass dieser Mann ein perfektes Leben hat. Dabei scheint er ganz froh über seine gewonnene Freiheiten zu sein. Ausschließlich für sich selber verantwortlich zu sein.

Jeder sieht das Leben und die Menschen mit anderen Augen. Und das ist auch gut so. „Perfektion“ definiert sowieso jeder anders. Was bedeutet es schon, ein perfektes Leben zu haben? Vielleicht bedeutet Perfektion ja auch, 3 verschiedene Soßen auf dem T-shirt zu haben und chronisch untereiscremt zu sein 😉

Wie seht ihr das?

Es grüßt,

Anna

 

Die erste abgebrochene Wanderung

12.8.18: Sonntag früh halb 7. Zeit zum Aufstehen. Zeit um in die Natur zu fahren. Viel zu lang ist es schon wieder her.

Taxi-Anna macht sich motiviert auf in Richtung Salzatal, wohin auch sonst. Dort begangen wir den ersten Fehler des Tages: Losfahren ohne Kaffee. Wer kommt auf solch eine komische Idee? Naja, passiert uns nicht nochmal.

Taxi-Anna will weiter in Richtung Südharz. Motor anschmeißen…irgendetwas fehlt. Wohin fahren wir eigentlich? Natürlich liegt das Navi noch zu Hause in Leipzig.  Naja, passiert mir nicht nochmal.

Google-maps tut es natürlich auch. Nur hat Maps nicht so ganz verstanden, dass Taxi-Anna ein Auto ist. Einige unbefahrbare Waldwege später (Ausdrücklich verboten für KFZ), nach gefährlichen Wendemanövern auf steiler Schotterpiste und den kritischen Blicken der dort ansässigen Reh-Familie dann die Erkenntnis: Taxi-Anna ist (noch?) kein Geländewagen. – also doch zu Fuß weiter.

Kurze Geschichte, noch kürzere Wanderung: Wir haben es ganze 4Km bis zur ersten Gabelung geschafft. Nach Links zeigte der Pfeil in Richtung Cafè, nach rechts ging es zu den Aussichten. Ein Blick genügte. Diese Entscheidung wurde schnell gefällt. Kaffee!

Aber wer sagt schon, dass Wanderungen immer lang, actionreich und abenteuerlustig sein müssen? Ein weiser Freund fragte mich neulich: „Wann ruhst du dich eigentlich mal aus?“. Mit dieser Frage im Ohr konnte ich den Sonntag auch mal etwas ruhiger angehen lassen 😉

Auch auf kurzen Wanderungen kann viel erzählt werden. Nicht irgendwelches belangloses Zeug. Sondern wichtiges Zeug. Zeug aus dem Leben. Was man nur guten Freunden erzählt. Früher haben wir betrunken über Gott und die Welt philosophiert. Heute geht das auch einfach so. Anscheinend wird man doch mit der Zeit etwas reifer…

In diesem Sinne: ruhige Sonntagsgrüße,

Taxi-Anna

 

E5-Alpenüberquerung. Etappe 2

180 Kilometer.

6200 Hm bergauf.

7300 Hm bergab.

In 7 Tagen.

Etappe 2 führte uns vom Bernhardseck zur Memminger Hütte auf 2242Hm. Die Strecke betrug 18,45 Kilometer und kostete uns an die 10 Stunden Fußmarsch,Nerven aus Stahl und viel Sonnencreme.

Das gut behütete Bernhardseck war alles andere als überlaufen, so dass die Nacht ruhig war und wir ausgeschlafen am frühen Morgen starten konnten. Es ging zunächst über viele Felder und durch dichte Wälder. Hauptsächlich liefen wir hier bergab. Ich hatte schon Muskelkater (in den Schienbeinen), was das bergab-laufen teilweise sehr unangenehm machte. Unten im Ort angekommen gab es erst einmal Brotzeit und wir mussten uns kurz Zeit nehmen, um die Lage zu checken. Heißt: Kaffee trinken, Obst kaufen, Süßigkeitenvorrat aufessen und Wetterbericht gucken. Denn der Hüttenwirt vom Bernhardseck warnte uns vor: Heute wird es regnen und Gewittern! Wer da hoch in die Berge geht, ist selber Schuld. Das Wetter schien sich allerdings noch zu halten, die Sonne schien zwischen den Wolken immer wieder kräftig durch. Es folgte ein ellenlanger, geteerter Weg, relativ unspektakulär. Fast wurde mir schon ein wenig langweilig… Bis wir an eine Kreuzung kamen an der uns ein Schild darauf hinwies, dass hier ein „Abenteuerweg, von Kindern für Kinder“ entlang führen würde.Ich rechnete irgendwie mit einem normalen Weg mit Rätselschildern für Kinder. Stattdessen erwartete uns ein zusammengefallener Weg, ungewollte Kletterpassagen am Fels weil Weg weggebrochen, Tiergerippe (Murmeltiere?), Balancieren am Abgrund ohne Sicherung und die völlige Einsamkeit. Ich wollte Abenteuer, da hatte ich sie.

Fragen, die man sich auf verlassenen Wegen stellt:

Wer findet mich, wenn ich abstürze?

Wie rette ich ohne Handy jemand anderes, ohne mich in Gefahr zu bringen?

Wie kackt man umweltfreundlich in den Wald?

Ob Gewitter in den Bergen wohl sehr gefährlich sind?

Warum bin ich hier? (Nicht hier, sondern hier 😉 )

Kinderweg gut überstanden, gab es an der nächsten Hütte ein Bierchen zur Stärkung und dann ging es weiter Richtung Memminger Hütte. Unten am Berg gibt es eine Gepäckbahn, doch dieser trauten wir nicht so recht. Irgendwann merkt man den Rucksack eh nicht mehr. Laut Beschilderung waren es hier noch 2,5 Stunden bis zur Memminger Hütte. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich denke wir haben schlappe 5 Stunden gebraucht. Diese Anstiege sind wir als Flachländler einfach nicht gewohnt, vor allem in der brütenden Hitze. Die letzten 5 Stunden waren sehr schön und aussichtsreich, haben sich aber hingezogen wie zäher Kaugummi. So waren wir sehr, sehr froh, als wir endlich die Hütte sahen. Der Weg dahin war so menschenleer, dass ich echt erstaunt war, dass die Hütte so voll war. Hier treffen viele große Wanderwege aufeinander und wir waren wahrscheinlich die einzigen Gäste ohne Reservierung. Alle Zimmer: Voll! Bettenlager: Voll! Notlager: Voll! Ich habe also auf dem Flur geschlafen. Nicht geschlafen. Gelegen.

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Gemütlich

Fazit: Diese Erfahrung muss man machen, auch wenn die Memminger Hütte einfach gnadenlos überfüllt ist. 4 Toiletten für hunderte von Menschen?! Geht alles.

Was mir während allen Hüttenübernachtungen bewusst geworden ist:

Ressourcen sind teuer und nicht überall auf der Welt frei verfügbar. (Wasser. Vor allem warmes)

Das Leben geht auch ohne WLAN, Netz, Strom und social-media weiter. Es geht nicht nur weiter, es ist sogar besser.

Zu Hause leben wir im absoluten Überfluss.

Schöne Aussichten gibt es überall. Man muss sie nur sehen. 

Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen. Hast du die Ehre eine zu hören: Hör zu. 

 

Anna

 

Über das Eckerloch auf den Brocken

Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.   (J.W.v.Goethe)

1.141 Höhenmeter. 16 Km Wanderstrecke. 3 Freunde.

Am 1.Mai war es mal wieder so weit. Die Wanderlust hat uns gepackt und so ging es auf ein neues in den Harz. Auf dem Plan stand dieses Mal der höchste Berg Norddeutschlands. Dass mir dabei der Weg über die Brockenstraße zu langweilig ist, dürfte klar sein. Ich habe also vorher gegoogelt: ‚Was ist der anspruchvollste Weg auf den Brocken?‘. Google hat geantwortet: Eckerloch. Gesagt getan. Bevor der Weg steinig und steil wurde, gab es am Wegesrand einen netten Bach, der zum Springen und Plantschen einlud. Dabei sind nicht nur schöne Fotos herausgekommen, sondern auch eine nasse Hose und die ein oder andere nasse Socke. Aber die schönsten Wege befinden sich ja bekanntermaßen nicht auf den Hauptwegen 🙂 Weiter oben auf dem Eckerlochstieg blieb uns außer dem Hauptweg nicht viel übrig, aber auch der war sehr schön, auch wenn der Brocken vor allem eines ist: eine Touristenattraktion. Kurz bevor wir den Gipfel erreichten, hat einer von uns noch einen sehr traurigen Moment erleben müssen: Die wunderschöne Brockenbahn rauscht in voller Pracht an uns vorbei- der perfekte Moment für ein episches Bild- und…trommelwirbel bitte…Akku alle. Kein episches Bild der Brockenbahn. Dafür hatten wir auf dem Gipfel angekommen sehr viel Glück, denn wir haben einen der wenigen Tage mit guter Aussicht erwischt.

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300 Tage auf dem Brocken mit Nebelsicht. Man nenne uns Glückskinder.

Nach kurzer Stärkung ging es wieder zurück ins Tal.

Das hätte ich fast vergessen: Bevor wir zum Brocken gefahren sind, haben wir einen Zwischenstopp am Blauen See gemacht. Der See macht seinem Namen volle Ehre.

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Wart ihr schon mal am blauen See und wenn ja, war er denn da genauso schön? 😉 Die Farbe soll wohl zu jeder Jahreszeit anders erscheinen.

So langsam werden wir zu richtigen Harz-Profis! Vielleicht hat ja jemand einen Geheimtipp, was man im Harz unbedingt gesehen haben muss?!

Ich wünsche euch allen ein erholsames Wochenende.

Anna

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